Nach langer Zeit wieder einmal der Besuch im Dorf.  Eng zusammengerückt die Häuser der Bauern und Taglöhner. Das Schloss, die Mühle, das Wehr. Über dem Fluss die Mühle, in der die Turbinen Tag und Nacht wimmern. Unaufhörlich, das ganze Jahr. Wenn ich an das Dorf denke, habe ich immer das wimmern im Ohr. Nur bei Hochwasser verstummen die Turbinen. Dann rauschen die Wassermassen direkt über das Wehr.

Der graugrüne Fluss gleitet wie eine riesige verschiebbare Bühne dahin, bis der eiserne Rechen die Fläche wie ein Eierschneider zerteilt und die tosende Flut in seinen Schlund saugt, dann auf die rotierenden Schaufeln der Turbinenräder prallen lässt und unterhalb der Mühle als Gurgelndes Strudelndes, seine Richtung Suchendes wieder ausspeit.

Flaschen drehen sich trunken vor dem Rechen, ein verkanteter Ast steckt zwischen den eisernen Streben, ein Holzstamm der unaufhörlich Tauchversuche macht: auf und ab, auf und ab. 

Weisst Du noch damals, als wir hier standen und die ersten toten Fische angespült wurden? Zwei, drei, acht, zehn. Kilometerweit oberhalb, im Bahnschwellenwerk, hatten sie die Tanks für das Imprägniermittel gespült. Zwanzig, vierzig, sechzig. Den ganzen Tag haben wir Fische herausgezogen. Halbtote, gekrümmte, müde ihre weissen Bäuche nach oben schwimmende Fischleiber. Gelähmt hatten sie keine Kraft gegen die Strömung anzukommen und wurden mitgerissen. In den Orten oberhalb und unterhalb das Gleiche. Hundert, hundertzwanzig – irgendwann haben wir aufgehört zu zählen. Das ganze Dorf und die Angler aus dem Angelverein haben Wannen angeschleppt, die mit frischem, sauberem Wasser gefüllt wurden. Noch im Dunklen, bei Scheinwerferlicht haben wir verzweifelt versucht Fische zu retten; doch irgendwann wussten wir alle, wir schaffen es nicht. Aber einfach nach Hause gehen?  

Kein Fisch hat überlebt. Das Gift war zu stark und blockierte die Nerven, die Kiemen rosa blutig.  Erst gegen Mitternacht hörte es auf. Die lebensspendenden Schläuche mit Frischwasser und Sauerstoff konnten die wenigen, nur noch schwach zuckenden, Fische nicht retten und wurden abgedreht.

Der Journalist von der Lokalzeitung machte am nächsten Tag Fotos von uns und einer Wanne mit toten Fischen. Prachtexemplare, Waller und Hechte dabei, die waren… riesig. Die Turbine wimmerte dazu ihren Totengesang.

© Jo Hagen 15.09.2010