Der seidene Faden ist die Seele des Menschen. C.G. Jung
Es war in der dritten Klasse, als wir ein Aufsatzthema als Hausaufgabe bekamen. Damals entdeckte ich meine Fähigkeiten und schrieb, in kindlicher Naivität, darüber, wie ich meinem ertrinkenden Freund, der von einer kleinen Brücke über den reißenden Bach gestürzt war, lebensrettend zu Hilfe kam. In meiner Gedankenwelt reichte ein Bindfaden, den ich in meiner Hosentasche mitführte, aus, mich damit abzuseilen und meinen Freund zu retten.
Als ich den Aufsatz stolz meiner Mutter zeigte, lachte sie. Sowas kann man nicht schreiben, war der Kommentar. Das reichte ihr aber noch nicht. Beim Essen las sie den Text den anderen Familienmitgliedern vor, die sich ebenfalls köstlich über meinen Aufsatz amüsierten. Mir fehlte als Kind jedes Verständnis für das Lachen und es gab auch keine Erklärung dafür. Einziger Kommentar: Aber Fantasie hat er ja.
In diesen Zeiten konnte man mit Fantasie keine Mahlzeiten bezahlen. Ich musste einen neuen Aufsatz schreiben. Es hat lange gedauert, bis ich wieder etwas mit Freude geschrieben habe.
© Jo Hagen 2018
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